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Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) hat am Freitag den ersten Teil seiner Qualitätsinitiative vorgestellt. Sie beinhaltet vor allem Vorschläge zur einer besseren und verbindlichen Frühförderung. Darüberhinaus gab der Senator bekannt, dass Schulen nicht mehr gezwungen werden sollen, das Jahrgangsübergreifende Lernen (JüL) in der Schulanfangsphase umzusetzen. Die Opposition nannte den Schritt überfällig.
Allerdings wird es für Schulen nicht einfach, sich von JüL zu verabschieden: Sie brauchen eine Zweidrittelmehrheit der Schulkonferenz und ein überzeugendes Alternativkonzept, das dann von der Bildungsverwaltung genehmigt werden muss. Die Entscheidung in der Zentrale soll sicherstellen, dass in den zwölf Bezirken einheitlich verfahren wird: In der Vergangenheit hatten Schulräte unterschiedlich agiert, so dass es immer noch rund 35 Schulen gibt, die JüL nicht umsetzen.
Über das Jahrgangsübergreifende Lernen wird seit der Einführung im Jahr 2005 gestritten. Aufgrund der Proteste von Eltern und Schulen hatte der damals neu ins Amt gekommene Zöllner den Schulen Aufschub gewährt und schließlich sogar darauf verzichtet, einen Stichtag zu nennen. Es blieb aber dabei, dass die Schulen intern gedrängt wurden, sodass es inzwischen rund 90 Prozent umsetzen. Insbesondere Schulen in sozialen Brennpunkten hatten immer wieder davor gewarnt, dass die Methode der Jahrgangsmischung für ihre Klientel nicht geeignet sei. Hingegen gab es auch viele Schulen, die von der Methode begeistert waren und sind.
Emine Demirbüken-Wegner (CDU) nannte JüL gestern „den größten Schwachsinn, den es je gab“. Auch Mieke Senftleben (FDP) hatte stets die Abschaffung dieser Unterrichtsmethode gefordert. Anders positionierte sich gestern Landeselternsprecher Günter Peiritsch. Er hält es für richtig, dass sich die Schulen mit der Methode vertraut machen mussten. Somit könnten sie jetzt aus eigener Erfahrung beurteilen, ob es sich für ihre Bedingungen eigne. Die Grünen und auch der Grundschulverband hatten JüL stets befürwortet, allerdings gefordert, dass die personellen und räumlichen Bedingungen dafür verbessert werden müssten. Anders als erhofft, ist es nicht überall gelungen, den jahrgangsgemischten Unterricht mit zwei Pädagogen pro Klasse durchzuführen.
Zöllner will das verbleibende Jahr bis zur nächsten Wahl aber auch nutzen, um die frühe Sprachförderung zu verbessern. Zu diesem Zweck sollen Vorschulkinder ein Jahr lang täglich fünf Stunden lang in der Kita gefördert werden. Bislang lag die Förderdauer bei drei Stunden. Um sicher zu gehen, dass alle Kinder mit Förderbedarf auch tatsächlich in der Kita ankommen, will Zöllner erstmals zu Sanktionen greifen. Hierbei orientiert er sich am Vorgehen Neuköllns, dass bei Schulschwänzerei bis zu 150 Euro von den Eltern verlangt. Diese Bußgelder sollen Eltern entrichten, die ihr Kind entweder nicht zum Sprachtest bringen oder anschließend nicht regelmäßig in der Kita abliefern.
Ganz neue Weg will der Senator auch bei den Familien gehen, die ihre Kinder bis zur Einschulung im Ausland lassen, also etwa bei den Großeltern in der Türkei. In diesem Fall droht Zöllner mit der „Streichung staatlicher Leistungen, wenn ein Verstoß gegen das Meldegesetz vorliegt“. So könne das Kindergeld gekürzt oder ganz entzogen werden.
Da nach den bisherigen Erfahrungen ein Kitajahr nicht ausreicht, um die sprachlichen und die Entwicklungsdefizite auszugleichen, will Zöllner prüfen, ob man Kinder nicht schon eineinhalb oder sogar zwei Jahre vor der Einschulung einem Sprachtest unterziehen kann. Dazu brauchte man allerdings eine ganz andere Form des Sprachtestes. Ob dies gelingt, ist offen.
Auch in der Schule soll noch mehr darauf geachtet werden, dass Kinder systematische Sprachförderung erhalten. Alle Schulen, die mehr als 40 Prozent Migrantenanteil haben, sollen verpflichtet werden, ein Sprachförderkonzept vorzulegen. Bisher ist das freiwillig. Zudem müssen sie sicherstellen, dass sie nicht mehr als 50 Prozent ihrer zusätzlichen Personalmittel für die Sprachförderung zweckentfremden, indem sie damit etwa Vertretungsunterricht organisieren.
Landeselternausschuss, CDU und FDP begrüßten gestern den größeren Handlungsspielraum der Schulen bei JüL. CDU und Grüne nannten die Verlängerung des Sprachkurses auf fünf Stunden richtig, allerdings müsse dies unterfüttert werden mit einer besseren Personalausstattung. Emine Demirbüken-Wegner von der CDU sagte, es bringe nicht viel, wenn man Kinder in die Kita zwinge, ohne dass dort für ausreichend ausgebildetes Personal gesorgt sei. Es gebe in einigen Regionen der Stadt Kitas, in denen nur noch eine deutsche Muttersprachlerin als Erzieherin arbeite. Das dürfe nicht sein.
Die Grünen begrüßten, dass Senator Zöllner „endlich“ der Forderung nach Auswertung der Sprachförderung nachkomme und die Wirksamkeit und Qualität von Kitas und Schulen verbessern wolle. Für den Ausbau der Sprachförderung sei es auch zwingend erforderlich, dass die Fort- und Weiterbildung der Erzieher und Lehrer reformiert werde.
Kommende Woche will Zöllner den zweiten Teil seines Qualitätspaketes vorstellen. Dabei soll es vor allem um die Frage gehen, wie man schwachen Schulen helfen kann. Zöllner kündigte bereits an, dass er die Schulleiterausbildung verbessern will. Zudem sollen die Schulinspektionsberichte öffentlich werden.
ZWEITER SPRACHTEST
Bislang gibt es nur einen Sprachtest im Rahmen der Einschulungsuntersuchung ein Jahr vor Schulbeginn. Künftig sollen die Kinder nochmals zur Einschulung getestet werden, um „aussagekräftige Daten über die Sprachkompetenz zu erhalten“. Er würde somit, klar, was die Kinder in der Kitas gelernt haben.
FRÜHERE FÖRDERUNG
Wissenschaftler sollen jetzt prüfen, ob es schon für Dreijährige valide Sprachtests gibt. In diesem Fall hätte der Senat Anhaltspunkte in der Hand, mit denen er Eltern juristisch dazu zwingen könnte, ihr Kind sogar schon eineinhalb oder zwei Jahre vor Beginn der Schulpflicht in die Kita zu schicken.
WEITERE VORSCHLÄGE
Zöllners Vorschläge basieren auf einem Expertenbericht, den er in Auftrag gegeben hatte und der jetzt auf der Homepage der Verwaltung abrufbar ist (www.berlin.de/sen/bwf). Vorschläge und Kommentare zum Qualitätspaket erbittet die Verwaltung per Mail an: qualitä
http://www.tagesspiegel.de/berlin/schule/jetzt-haben-schulen-die-wahl/2935984.html
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Gymnasien
Donnerstag, 18. November 2010 13:12 - Von Florentine Anders und Gilbert Schomaker
Mit ihren Äußerungen zur möglichen Abschaffung der Gymnasien in Berlin hat Renate Künast für Wirbel gesorgt. Zwar hat die grüne Spitzenkandidatin ihre Aussage mittlerweile abgeschwächt. Doch Lehrern reicht das nicht.
Muss bald Farbe in der Gymnasien-Streitfrage bekennen: Renate Künast (Grüne)
Die Grünen sollen ein klares Bekenntnis zum Fortbestand der Berliner Gymnasien ablegen. Das forderten Vertreter von Lehrer- und Elternverbänden. Anlass sind Äußerungen der Spitzenkandidatin Renate Künast.
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Der Vorsitzende der Vereinigung der Oberstudiendirektoren, Ralf Treptow, sagte der Morgenpost Online: „Frau Künast hat ihre Aussage zur möglichen Abschaffung der Gymnasien zwar dementiert. Das ist eine wichtige Voraussetzung für Sachgespräche zu diesem Thema. Grundsätzlich ist die Äußerung damit aber nicht aus der Welt.“
Künast hatte am Wochenende gesagt, die Gymnasien würden in der kommenden Legislaturperiode nicht abgeschafft. Danach müsse man aber weitersehen. Nach heftigen Protesten hatte die Spitzenkandidatin der Grünen ihre Äußerungen am Dienstag abgeschwächt. Eine Abschaffung der Gymnasien stehe nicht auf ihrem Arbeitsplan, sondern die qualitative Verbesserung der Schulen.
Skepsis bei Studiendirektoren
Doch die Skepsis bei den Lehrern und Eltern bleibt. Es müsse geprüft werden, wie die Parteien sich in ihren Grundsatzprogrammen zur Frage der Schaffung eines Einheitsschulsystems positionieren, forderte Ralf Treptow. „Die Vereinigung der Oberstudiendirektoren wird deshalb alle im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien auffordern, sich grundsätzlich zur Existenz der Gymnasien in der Hauptstadt zu äußern.“ In diesem Zusammenhang müsse auch Frau Künast Farbe bekennen. „Wir brauchen die Gymnasien dringend, schon allein deshalb, weil in Deutschland 50 Prozent der Schüler das Abitur machen sollen“, betonte Treptow.
Das Unbehagen des Vorsitzenden der Vereinigung der Oberstudiendirektoren in Berlin nährt sich auch aus Künasts Rede bei der Bekanntgabe ihrer Spitzenkandidatur. Im Museum für Kommunikation hatte sie vor Mitgliedern der Grünen gesagt, dass sie die Richtung der Schulpolitik von Rot-Rot grundsätzlich befürworte.
Klaus Wowereit und Renate Künast im Vergleich
Das Duell um den Chefsessel im Roten Rathaus in Berlin verspricht Spannung. Mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und seiner wahrscheinlichen Herausforderin Renate Künast von den Grünen treten bei der Abgeordnetenhauswahl im September 2011 zwei Schwergewichte gegeneinander an.
Der Deutsche Philologenverband warnte Künast vor einem Kampf gegen die Gymnasien in Berlin. Sollte die Grünen-Spitzenkandidatin in Berlin Regierende Bürgermeisterin werden, dürfe sie nicht gleich die nächste Schulreform starten. Mindestens zehn Jahre müsse Ruhe sein, damit die Schulen sich entwickeln können – in allen Bundesländern, so der Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger.
Der Landeselternausschuss schloss sich den Warnungen vor einer Diskussion um die Gymnasien an. Statt über ihre Abschaffung zu debattieren, sollten die Parteien vielmehr Perspektiven für eine erfolgreiche Schule entwickeln, sagt Günter Peiritsch, Vorsitzender des Landeselternausschusses Schule.
Lehreraubildung in Problembezirken soll verbessert werden
Doch von Ruhe in der Schulpolitik ist wenig zu spüren. Für neue Diskussionen sorgte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Volker Ratzmann. Er schlug vor, die Ausbildung der Pädagogen, die in Problemkiezen im Einsatz sind, zu verbessern. Gerade in Schulen mit vielen sozial benachteiligten Kindern seien „qualifizierte Lehre“ erforderlich, die Türkisch oder Arabisch sprechen. Gleichzeitig sollen überforderte Lehrer aus den Problemschulen abgezogen werden. „Notfalls“ müssten diese Pädagogen gegen junge, motivierte Lehrer ausgetauscht werden. Eventuelle Konflikte mit dem Personalrat müsse man aushalten. „Das schreckt mich nicht“, sagte Ratzmann.
Er setze aber auf den Dialog. „Ich will solche Dinge diskutieren, um die Schulen zu verbessern. Da lasse ich keine Diskussionsverbote zu. Wenn wir sagen, wir wollen das Land verändern, dann darf es doch keine Denkverbote geben“, sagte Ratzmann. Die ausgebrannten Lehrer könnten beispielsweise an Schulen mit deutlich weniger Problemen versetzt werden. Viele Eltern in den bürgerlichen Bezirken wollen ihre Kinder allerdings nicht von ausgebrannten Pädagogen unterrichten lassen. Sie lehnen ein Lehreraustauschprogramm ab.
Grünen-Politiker Ratzmann schlug vor, dass Beraterteams des Senats die Schulen besuchen und mit den Lehrern über die Probleme und mögliche Lösungen reden sollten.
„Damit nehmen die Grünen eine Idee auf, die der Gesamtpersonalrat schon lange verfolgt“, sagt Jürgen Schulte vom Personalrat. Die Lehrer in den Brennpunktschulen seien besonderen Belastungen ausgesetzt, deshalb wäre es zu begrüßen, wenn sie die Möglichkeit hätten, sich nach einer gewissen Zeit an eine andere Schule versetzen zu lassen. Das sei auch eine gesundheitsschützende Maßnahme. „Lehrer an Brennpunktschulen arbeiten ständig am Limit und leisten trotzdem hervorragende Qualität“, sagt Schulte.
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RATGEBER
Freitag, 19. November 2010 03:00
Meine Tochter ist in der ersten Klasse. Wir hatten bereits einen Elternabend. Wie oft finden diese Elternversammlungen eigentlich statt? Und wer hat das Recht, eine Elternversammlung einzuberufen? Darf das nur die Klassenlehrerin oder können Eltern das auch in Eigenregie machen? Wiebke S. aus Steglitz
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19.11.2010
Von Kai Kupferschmidt
Der Hirnforscher Fred Gage glaubt, dass herumirrende Gene im Gehirn Autismus verursachen könnten. Gage geht es bei seiner Theorie aber noch um weit mehr.
Autismus kommt in vielen Formen vor. Eine von ihnen heißt Rett-Syndrom. Es sind fast ausschließlich Mädchen, die daran erkranken. Bis zu eineinhalb Jahren entwickeln sie sich ganz normal, doch dann steht die Entwicklung plötzlich still und kehrt sich sogar um. Die Kinder verlieren ihr Interesse für Spielzeug, vergessen bereits Gelerntes. Meist können sie nicht ohne Hilfe laufen und lernen nicht zu sprechen. Die Krankheit ist sehr selten: Im Schnitt gibt es in Deutschland jedes Jahr 50 neue Fälle.
Weiterlesen: http://www.tagesspiegel.de/wissen/spruenge-im-kopf/2893598.html