Gymnasien
Donnerstag, 18. November 2010 13:12  - Von Florentine Anders und Gilbert Schomaker

Mit ihren Äußerungen zur möglichen Abschaffung der Gymnasien in Berlin hat Renate Künast für Wirbel gesorgt. Zwar hat die grüne Spitzenkandidatin ihre Aussage mittlerweile abgeschwächt. Doch Lehrern reicht das nicht.
Muss bald Farbe in der Gymnasien-Streitfrage bekennen: Renate Künast (Grüne)
Die Grünen sollen ein klares Bekenntnis zum Fortbestand der Berliner Gymnasien ablegen. Das forderten Vertreter von Lehrer- und Elternverbänden. Anlass sind Äußerungen der Spitzenkandidatin Renate Künast.

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Der Vorsitzende der Vereinigung der Oberstudiendirektoren, Ralf Treptow, sagte der Morgenpost Online: „Frau Künast hat ihre Aussage zur möglichen Abschaffung der Gymnasien zwar dementiert. Das ist eine wichtige Voraussetzung für Sachgespräche zu diesem Thema. Grundsätzlich ist die Äußerung damit aber nicht aus der Welt.“

Künast hatte am Wochenende gesagt, die Gymnasien würden in der kommenden Legislaturperiode nicht abgeschafft. Danach müsse man aber weitersehen. Nach heftigen Protesten hatte die Spitzenkandidatin der Grünen ihre Äußerungen am Dienstag abgeschwächt. Eine Abschaffung der Gymnasien stehe nicht auf ihrem Arbeitsplan, sondern die qualitative Verbesserung der Schulen.
Skepsis bei Studiendirektoren

Doch die Skepsis bei den Lehrern und Eltern bleibt. Es müsse geprüft werden, wie die Parteien sich in ihren Grundsatzprogrammen zur Frage der Schaffung eines Einheitsschulsystems positionieren, forderte Ralf Treptow. „Die Vereinigung der Oberstudiendirektoren wird deshalb alle im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien auffordern, sich grundsätzlich zur Existenz der Gymnasien in der Hauptstadt zu äußern.“ In diesem Zusammenhang müsse auch Frau Künast Farbe bekennen. „Wir brauchen die Gymnasien dringend, schon allein deshalb, weil in Deutschland 50 Prozent der Schüler das Abitur machen sollen“, betonte Treptow.

Das Unbehagen des Vorsitzenden der Vereinigung der Oberstudiendirektoren in Berlin nährt sich auch aus Künasts Rede bei der Bekanntgabe ihrer Spitzenkandidatur. Im Museum für Kommunikation hatte sie vor Mitgliedern der Grünen gesagt, dass sie die Richtung der Schulpolitik von Rot-Rot grundsätzlich befürworte.

Klaus Wowereit und Renate Künast im Vergleich
Das Duell um den Chefsessel im Roten Rathaus in Berlin verspricht Spannung. Mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und seiner wahrscheinlichen Herausforderin Renate Künast von den Grünen treten bei der Abgeordnetenhauswahl im September 2011 zwei Schwergewichte gegeneinander an.

Der Deutsche Philologenverband warnte Künast vor einem Kampf gegen die Gymnasien in Berlin. Sollte die Grünen-Spitzenkandidatin in Berlin Regierende Bürgermeisterin werden, dürfe sie nicht gleich die nächste Schulreform starten. Mindestens zehn Jahre müsse Ruhe sein, damit die Schulen sich entwickeln können – in allen Bundesländern, so der Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger.

Der Landeselternausschuss schloss sich den Warnungen vor einer Diskussion um die Gymnasien an. Statt über ihre Abschaffung zu debattieren, sollten die Parteien vielmehr Perspektiven für eine erfolgreiche Schule entwickeln, sagt Günter Peiritsch, Vorsitzender des Landeselternausschusses Schule.
Lehreraubildung in Problembezirken soll verbessert werden

Doch von Ruhe in der Schulpolitik ist wenig zu spüren. Für neue Diskussionen sorgte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Volker Ratzmann. Er schlug vor, die Ausbildung der Pädagogen, die in Problemkiezen im Einsatz sind, zu verbessern. Gerade in Schulen mit vielen sozial benachteiligten Kindern seien „qualifizierte Lehre“ erforderlich, die Türkisch oder Arabisch sprechen. Gleichzeitig sollen überforderte Lehrer aus den Problemschulen abgezogen werden. „Notfalls“ müssten diese Pädagogen gegen junge, motivierte Lehrer ausgetauscht werden. Eventuelle Konflikte mit dem Personalrat müsse man aushalten. „Das schreckt mich nicht“, sagte Ratzmann.

Er setze aber auf den Dialog. „Ich will solche Dinge diskutieren, um die Schulen zu verbessern. Da lasse ich keine Diskussionsverbote zu. Wenn wir sagen, wir wollen das Land verändern, dann darf es doch keine Denkverbote geben“, sagte Ratzmann. Die ausgebrannten Lehrer könnten beispielsweise an Schulen mit deutlich weniger Problemen versetzt werden. Viele Eltern in den bürgerlichen Bezirken wollen ihre Kinder allerdings nicht von ausgebrannten Pädagogen unterrichten lassen. Sie lehnen ein Lehreraustauschprogramm ab.

Grünen-Politiker Ratzmann schlug vor, dass Beraterteams des Senats die Schulen besuchen und mit den Lehrern über die Probleme und mögliche Lösungen reden sollten.

„Damit nehmen die Grünen eine Idee auf, die der Gesamtpersonalrat schon lange verfolgt“, sagt Jürgen Schulte vom Personalrat. Die Lehrer in den Brennpunktschulen seien besonderen Belastungen ausgesetzt, deshalb wäre es zu begrüßen, wenn sie die Möglichkeit hätten, sich nach einer gewissen Zeit an eine andere Schule versetzen zu lassen. Das sei auch eine gesundheitsschützende Maßnahme. „Lehrer an Brennpunktschulen arbeiten ständig am Limit und leisten trotzdem hervorragende Qualität“, sagt Schulte.